Auf dem Meeresboden der Tatsachen
Expedition im Südatlantik: Auf der Spur von Emissionen aus den Meeresböden
In den Meeresböden und vor den Küsten sind weltweit enorme Mengen an Methan gebunden. Die Frage, die Wissenschaftler weltweit umtreibt, lautet: Wo liegen diese Quellen und welcher Anteil des Treibhausgases gelangt bei dessen Freisetzung in die Atmosphäre? Bei der Erforschung dieser Methanquellen setzt das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ein Unterwasser-Massenspektrometer ein. In diesem Mess-System spielt der Transpector® CPM von INFICON eine elementare Rolle.
Methan (CH4) ist nach CO2 das schädlichste Treibhausgas. Es gewinnt zunehmend an Bedeutung, weil es durch Kipppunkt-Effekte, etwa das Schmelzen der Permafrostböden in Sibirien oder die Zersetzung von Gashydraten in Ozeanen, in immer höheren Konzentrationen in die Atmosphäre gelangt.
Verschiedene Möglichkeiten der Entstehung
In aquatischen Systemen gibt es verschiedene Möglichkeiten der Entstehung: Zum einen ist Methan in tieferen Schichten ein Endprodukt der Petrochemie. Über den Ölvorkommen befinden sich häufig Gasreservoirs. Durch Risse in den Sedimenten und Meeresböden kann Methan an die Oberfläche gelangen.
Eine weitere submarine Methanquelle entsteht durch die mikrobielle Zersetzung von organischem Material in geringeren Sedimentschichten aquatischer Systeme.
Wieviel Methan kommt in die Atmosphäre?
Durch den fortschreitenden Klimawandel erwärmen sich die marinen Sedimente, die das Klimagas speichern und geben das farb- und geruchlose Gas zunehmend frei, da sie übersättigt sind. Für die Konzentration in aquatischen Systemen lautet die entscheidende Frage daher: Wieviel Methan aus den Meeresböden gelangt in die Atmosphäre, um im globalen Kohlenstoffkreislauf die Erderwärmung zu beschleunigen. Um dies zu beantworten, müssen die submarinen Methanquellen genau untersucht werden.
Methanaustritte lokalisieren
Hierfür eignet sich der In-situ-Einsatz eines Unterwasser-Massenspektrometers (UWMS). Mit dieser Methode lassen sich aktive Methanaustritte lokalisieren und quantifizieren. Die Hauptvorteile dieser Technik liegen in der sehr kurzen Ansprechzeit bei erhöhten Konzentrationen, sowie der im Vergleich zu anderen Methoden bis zu 750mal höheren Messrate der Konzentrationen gelöster Gase. Diese hohe Datendichte lässt eine exaktere räumliche und zeitliche Kartierung der Methanquellen zu.
Exakt, schnell und bedienungsfreundlich
Das UWMS besteht aus einem Membraneinlass-System für die Probennahme und einer Sensor-Einheit, in der die wasserlöslichen Gase und leichten Kohlenwasserstoffe online und in Echtzeit gemessen werden. Kernstück des Sensors ist ein Massenspektrometer. Das AWI setzt bei seinem UWMS zur Erforschung von Methanvorkommen in aquatischen Systemen seit langem auf den Transpector® CPM von INFICON. Das System trägt mit seiner Messgenauigkeit und -geschwindigkeit maßgeblich zur Datenstabilität und Bedienungsfreundlichkeit des Unterwasser-Massenspektrometers bei.
Expedition im Südatlantik
So auch im Dezember 2022, als das Polar Forschungs- und Versorgungsschiff Polarstern zuletzt auf einer Expedition nahe der Inselgruppe Südgeorgiens im Südatlantik unterwegs war, um dort mit dem Unterwasser-Massenspektrometer Methanquellen zu erkunden. Der deutsche Eisbrecher, der im Expeditionsjahr sein 40-jähriges Jubiläum hatte, ist weltweit eines der stärksten Polarforschungsschiffe. Die Polarstern kann 1,5m arktisches Eis mit konstanter Geschwindigkeit durchfahren. Damit ist es eines der stärksten Polarforschungsschiffe weltweit. Mit an Bord: Wissenschaftler Dr. Torben Gentz, in der Abteilung Marine Geochemie am AWI sowie der Ingenieur Malte Höhn.
Serviceeinsatz sichert Untersuchungen
Der Forscher berichtete, das UWMS war aufgrund eines Transportschadens in das Randgebiet der Antarktis nicht betriebsbereit. "Um die Untersuchungen dennoch durchzuführen, habe ich unseren Ansprechpartner bei INFICON, Steffen Tippmann, kontaktiert. Nachdem der Kapitän das gesamte Datenvolumen für unseren Rechner abgezweigt hat, konnte Steffen Tippmann nach einer Remote Fehlersuche und einem Neuabgleich des Systems das Gerät wieder in Gang setzen.", beschreibt Dr. Gentz den Service-Einsatz.
„Fernwartung geht ja nur bis zu einem bestimmten Punkt und dann muss man doch an die Hardware. Aber das AWI hat ja nicht nur gescheite Wissenschaftler, sondern auch geschickte Techniker. Die haben den notwendigen Hardwareeingriff erfolgreich erledigt und den Rest haben wir Remote beendet", so Steffen Tippmann.
Engagierter Support
Dr. Gentz weiß einen derart schnellen und engagierten Support auch deshalb gut einzuschätzen, weil er das UWMS-Projekt seit dem Jahr 2006 aktiv begleitet: „Wir nutzen das Gerät beim AWI bereits seit 2005. Hintergrund der Anschaffung war es, eine Plattform zu entwickeln, mit der man klimarelevante Daten erheben kann", blickt er zurück. Das System, so wie es heute angewandt wird, hat fast nichts mehr mit dem Ursprungsgerät zu tun: So gibt es unter anderem eine neue Ansteuerung und neue Vakuumpumpen. "Das einzig verbliebene elementare Bauteil ist der CPM von INFICON", unterstreicht Dr. Gentz.
Kryofalle verbessert Nachweisgrenze
"Seitdem wurde ständig optimiert. Schon während meiner Diplomarbeit habe ich eine Kryofalle entwickelt, mit der sich bis zu 95 Prozent des Wasserdampfes im Gesamtvolumenstrom entfernen lässt, sodass wir die Nachweisgrenze um den Faktor 10 verbessern konnten. Wir liegen also nicht mehr bei 100, sondern nur noch bei ungefähr 10 nmol/L", betont Dr. Gentz. So kann das Gerät in diesen Regionen überhaupt eingesetzt werden, um valide Daten zu gewinnen.
Echolotmessungen orten Ausgasungsstellen
In den Anfängen wussten die Fischer, wo die Ausgasungsstellen von Methan oder CO2 lagen, weil sich Fischschwärme bevorzugt an Stellen tummeln, wo Gasblasen aufsteigen, erzählt Dr. Torben Gentz. Mit den modernen Methoden wie Echolotmessungen werden weltweit immer mehr Ausgasungsstellen, etwa an Kontinentalhängen, entdeckt. Diese Messgeräte werden unter dem Schiff montiert und vermessen somit den Meeresboden. Für extrem hochaufgelöste Vermessungen des Meeresbodens werden ROVS (Remote Operating Vehicles) oder AUVS (Autonome Underwater Vehicles) genutzt, in denen die Messtechnik integriert ist.
Gasblasen an der Wasseroberfläche
Entscheidend für die Forschung ist, welcher Anteil des aufsteigenden Methans durch die Hydrosphäre in die Atmosphäre aufsteigt. Je dichter die Ausgasungsstellen an der Wasseroberfläche sind und je geringer die Wassersäule darüber mit unterschiedlichen Wassermassen geschichtet ist, desto mehr Methan kann an die Oberfläche gelangen. So existieren etwa in der Nordsee Quellen in nur ca. 40 Meter Wassertiefe. "Dort sind die Gasblasen an der Wasseroberfläche zu sehen", erklärt Gentz.
Stetige Weiterentwicklung
Das Projekt und den Einsatz des Unterwasser-Massenspektrometers bezeichnet Gentz als Erfolg, der aber stetig weiterentwickelt werden muss. Die Motivation dafür ist hoch: "Ich habe das System in den letzten Jahren gemeinsam mit Malte Höhn nochmals komplett umgebaut – mit dem Ergebnis, dass wir die Einsatztiefe von 200 Meter auf 3000 Meter verbessert haben." Dafür musste ein komplett neuer Druckbehälter aus Titan gebaut werden, der sich für diese Tiefen eignet, sowie das Probeneinlasssystem komplett neu konzipiert werden.
Daten für IPCC-Report
Die Aufgabenteilung nach der Erhebung der Daten ist eindeutig: "Wir Wissenschaftler können ja nur die Entwicklungen, Szenarien und mögliche Konsequenzen aufzeigen. Und dafür müssen wir mit Hilfe unserer Systeme zunächst verstehen, was dort vor sich geht." Auf einer ganz anderen Ebene steht natürlich, was mit diesen Erkenntnissen im nächsten Schritt passiert. An diesem Prozess, sind eine Vielzahl renommierter AWI-Forscher beteiligt. Die aufgearbeiteten Daten münden letztlich unter anderem in den Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC, merkt Dr. Gentz an.
Wissenschaftler unabhängig
Der Bericht wird beispielsweise an Politiker übergeben. Ähnlich dem Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, um zu dokumentieren, wie die Lage ist. "Was dann damit passiert, liegt in der Hand der Politiker. Davon müssen wir uns als Wissenschaftler frei machen", weiß Gentz. Der Antrieb der Wissenschaftler besteht darin, die Rolle der Meere im globalen Klimasystem zu ergründen. "Dabei ist für uns das Treibhausgas Methan in den Vordergrund gerückt und wir haben uns die Methoden angeguckt, mit denen sich diese Zusammenhänge am besten messen lassen."
Bewährt in der Halbleiterproduktion
Compact Prozess Monitor (CPM)-Systeme werden oft in der Halbleiterproduktion sowie im SEMI Bereich zur Prozessüberwachung und -steuerung sowie zur Kontaminationsüberwachung eingesetzt. Gebündelt mit der FabGuard IPM Software können damit komplexe Systemlösungen in der Industrie realisiert werden. Aber auch in der Forschung, in der Chemie, der Materialanalyse oder der Physik sind CPM Systeme im Einsatz. Dabei kommt der Vorteil der geschlossenen Ionenquelle zur Geltung. Mit ihr kann man direkt bei Prozessvakuum (Prozessdruck) beziehungsweise bei viel höherem Druck als mit einer offenen Ionenquelle ionisieren. Ein differentielles Pumpsystem, wie es im CPM verbaut ist, ist Voraussetzung. Dieses kann durch ein variables, schaltbares Einlasssystem ergänzt werden, mit dem man einen weiten Analyse-Druckbereich von Atmosphäre bis Hochvakuum abdecken kann.
Vorteil: geschlossene Ionenquelle
Sonderanwendungen wie im AWI nutzen ebenfalls den Vorteil der geschlossenen Ionenquelle; dabei wird bei einem höheren Druck, als bei einer offenen Ionenquelle, das Prozessgas ionisiert. Man erzielt dadurch eine höhere Ionenausbeute, eine höhere Anzahl an geladenen Teilchen, die man im Quadrupole nach ihrem Masse-Ladungsverhältnis separieren und zur Anzeige bringen kann. Das Resultat ist eine wesentlich genauere und detailliertere Aussage zur Weiterverarbeitung in der Forschung oder Prozesssteuerung.
Das Team
In diesem wichtigen Forschungsprojekt zeichnete sich eine außergewöhnliche Zusammenarbeit zwischen dem Alfred-Wegner-Institut und INFICON.
Das Engagement und die Expertise von Dr. Torben Gentz, der das Projekt leitete und Malte Höhn vom Alfred-Wegener-Institut, sowie der Einsatz von Steffen Tippmann von INFICON führten zum Erfolg.
Leidenschaft für Wissenschaft, Innovation und Technik, sowie Begeisterung und Flexibilität auf beiden Seiten waren entscheidend in diesem herausfordernden Projekt zur Lokalisierung und Quantifizierung von Methanaustritten unter Wasser.